Im Gespräch mit der Industrie

Standards schaffen mit dem digitalen Werkzeugkasten - ZÜBLIN

Welche Rolle spielt Standardisierung bei der Digitalisierung in der Bauindustrie? Einblicke von Simon Jagenow.

Standards schaffen mit dem digitalen Werkzeugkasten - ZÜBLIN

Simon Jagenow ist Stabsbereichsleiter für Digitalisierung bei der Ed. Züblin AG. Bei ZÜBLIN arbeiten derzeit mehr als 13.000 Beschäftigte weltweit und davon ca. 8.000 in Deutschland. Das Unternehmen ist Teil der STRABAG SE. Jagenow ist direkt dem Vorstand zugeordnet und für die Definition und Umsetzung der Digitalisierungsstrategie verantwortlich. Hierfür koordiniert er das strategische Projektportfolio. Im Gespräch mit Tenera gibt er Einblicke in die Digitalisierung der Branche, erklärt das Potenzial von ‚Connected Construction‘, geht auf Trends ein und beschreibt einen Ausblick auf die Bauindustrie im Jahr 2030. 

Digitalisierungsprojekte: Standardisierung als Schlüssel zum Erfolg - ob für den digitalen Werkzeugkasten oder digitale Prozess- und Lieferketten 

Neben konkreten Digitalisierungsprojekten selbst besteht für Unternehmen in der Bauindustrie eine große Herausforderung in der Standardisierung digitaler Prozesse. Daten- und Softwarestandards können dabei nicht nur helfen, innovative Technologien in der Fläche zu implementieren, sondern ganz allgemein der Fragmentierung der Branche effektiv entgegenzuwirken. Dafür bedarf es jedoch einer wirklich einheitlichen, standardisierten Softwarenutzung bzw. einer vereinheitlichen Datenstruktur. Gelingt diese Angleichung, können Unternehmen wiederum ungenutzte Potenziale aufdecken und in Zukunft auch Geschäftsmodelle, die auf Standard-Daten basieren, zur Anwendung bringen.

Aus dem Oberthema Standardisierung leiten sich bei ZÜBLIN z.B. größere und übergreifender gefasste Digitalisierungsprojekte ab. Dazu zählt der digitale Werkzeugkasten für neue Bauprojekte, mit einer Baumanagement-App für Projektleitende: Je nach vorherrschenden Rahmenbedingungen eines Bauprojektes erhalten Projektleitende Vorschläge, welche digitalen Werkzeuge verwendet werden können.

Auch die Digitalisierung der Prozesskette rund um Prozess-, Produktionsplanung und Produktionssteuerung, ganz im Sinne von Lean Construction, kann Unternehmen in der Bauindustrie bisher ungeahnte Möglichkeiten bieten. Entscheidend dafür ist die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks von der Planung, Bauausführung und Nutzung bis hin zu Umwidmung und Rückbau. Für die Digitalisierung der Prozesskette greift man bei ZÜBLIN bspw. auf eine digitale Taktsteuerungstafel zurück, die sich aus Terminkalendern speist und projektbezogen alle relevanten Daten transparent zur Verfügung stellt. Somit kann sich eine Bereichsleiterin oder ein Bereichsleiter standortunabhängig und tagesaktuell über den Stand eines Bauprojekts informieren und bekommt schnell einen Überblick darüber, an welcher Stelle im Projekt die Ampeln auf rot, grün oder gelb geschaltet sind.

Mit Blick auf die gesamte Wertschöpfungskette sollten im Rahmen einer unternehmensweiten Standardisierung auch die Lieferketten nicht außer Acht gelassen werden. Durch Bauteilstandards und digitale Prozess- und Lieferketten kann ein großer Mehrwert für den Bau entstehen. Digitale Trackingsysteme für Hauptbaustoffe sind hierfür denkbar und auch bereits realisierbar. So ein System könnte etwa mit einer App verwirklicht werden, in der dann die Baustoffe, zum Beispiel Transportbeton, abgerufen werden können. Über diese App kann darüber hinaus sowohl die direkte Kommunikation mit dem Produzenten möglich sein, als auch die Verwaltung sämtlicher Daten für eine entsprechende Bestellung.

Dieses Prinzip lässt sich ebenso auf Bauteile übertragen. Der gesamte Fertigungsprozess von beispielsweise Betonfertigteilen, Holz- und Stahlbauelementen, Nasszellen, Fenster oder Türen kann digital abgebildet werden und somit für mehr Transparenz sorgen. Das beginnt bei Informationen zum Status der Bestellung und reicht bis zur Produktion selbst. In der Praxis sollen diese Bauteile dann auf ihrem Weg zur Baustelle verfolgt werden können. Sobald die Teile auf der Baustelle ankommen, können sie per QR-Code oder RFID-Tag gescannt oder aufgenommen werden. Anschließend wird zudem digital hinterlegt, wenn diese Teile eingebaut und abgenommen wurden. Hierfür sind grundlegende Prozessstandards wichtig, auch um der Komplexität im Bauwesen Rechnung zu tragen.

Diese breiten und umfassender konzipierten Digitalisierungsprojekte können im Kern die Standardisierung von Unternehmen in der Bauindustrie ganz grundlegend voranbringen. Daneben gibt es viele einzelne Pilotprojekte sowie spezielle Anwendungsfälle, die das Potenzial haben, die Branche zu verändern. Ein solches Pilotprojekt gibt es bei ZÜBLIN zum Beispiel im Bereich Robotik: Mit dem Roboterhund von Boston Dynamics wird gerade getestet, wie der Baufortschritt auf der Baustelle mit 360-Grad-Fotos dokumentiert werden kann. Darüber hinaus hat künstliche Intelligenz (KI) das Potenzial, die Digitalisierung in der Branche in vielen Bereichen vorantreiben.

Künstliche Intelligenz als Arbeitserleichterung in der Bauplanung

KI kann viele verschiedene Rollen einnehmen und für die unterschiedlichsten Vorhaben relevant sein. Anwendungsfälle gibt es etwa bei der Foto- oder Datenmustererkennung, da bei Bauvorhaben viele Fotos erzeugt und eine große Menge an Informationen aus Kostendatenbanken oder Angeboten ausgewertet werden. Mithilfe von KI lassen sich bspw. zuvor gemessene Aufwandswerte in eine Datenbank zurückführen und Prognosen darüber treffen, wie sie sich innerhalb eines Projekts verändern können. Daraus lassen sich dann Schlüsse für das nächste Projekt in einer ähnlichen Kategorie ziehen.

Einen konkreten Anwendungsfall für KI gibt es auch für BIM. Bei ZÜBLIN wird bspw. immer mehr mit externen BIM-Modellen anderer Planer:innen gearbeitet. Da bei diesen Modellen die unterschiedlichsten Datenstandards vorherrschen, muss berücksichtigt werden, dass für einen Baustoff auch die verschiedensten Attribute vergeben werden können. Hier kann KI dabei helfen, externe BIM-Modelle zu analysieren und unternehmenseigene Attribute für etwa Stahlbeton, die für die Auswertung und Kalkulation benötigt werden, mit den im Modell vergebenen Attributen zu verknüpfen.

Betrachtet man die genannten Digitalisierungsprojekte und -initiativen in Gänze, wird deutlich, welchen Herausforderungen sich die Bauindustrie stellen muss und - wie die genannten Beispiele zeigen - auch schon stellt. Um die Chancen der Digitalisierung nachhaltig nutzen zu können, ist auch die Innovationskraft eines Unternehmens von Bedeutung.

Tradition mit Neugierde verbinden - immer am Puls der Zeit

ZÜBLIN demonstriert seine Innovationskraft durch die Kontrolle der Wertschöpfungskette und den Überblick über den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden. Die Unternehmensstrategie ist dabei auf Lean Construction als integraler Ansatz für die Planung, Gestaltung und Ausführung von Bauprojekten ausgelegt. Um als Unternehmen Innovationskraft entfalten zu können, ist es laut Jagenow wichtig, dass stetig neue Ideen und Konzepte erprobt werden: „Es ist wichtig, dass wir nicht aufhören, neue Dinge auszuprobieren und dafür auch innovative Ideen zu pilotieren - immer vor dem Hintergrund der Frage: Bringt uns das weiter oder nicht? Es ist dabei aber auch essentiell, dass diese Dinge und Ideen klar auf unsere Unternehmensstrategie und Philosophie ausgerichtet werden.“ Die Unternehmensphilosophie wird immer wichtiger, wenn es darum geht, junge Kolleg:innen auf diesem Weg mitzunehmen, vor allem mit Blick auf den Fachkräftemangel, der die Bauwirtschaft herausfordert. Dafür müssen Unternehmen jedoch digitale Hilfsmittel bereitstellen, mit denen die Kolleg:innen der nachfolgenden Generation adäquat arbeiten können. In der Bauindustrie besteht also ein wichtiger strategischer Ansatz darin, am Puls der Zeit zu sein, um so auch die jüngere Generation für die eigene Philosophie und Tradition zu begeistern. Auch aus diesem Grund ist es wichtig, sich intensiv mit aktuellen Trends zu beschäftigen, allen voran mit dem Thema Nachhaltigkeit in der Bauindustrie und damit verknüpft auch die Weiterentwicklung von BIM.

„Das Thema Nachhaltigkeit wird BIM einfach noch mal einen anderen Schub geben. Wir werden die Nachhaltigkeit von Gebäuden nicht ohne ein Datenmodell und BIM verbessern können, denn nur so wird der ökologische Fußabdruck des aktuellen Planungsstandes überhaupt sichtbar. Dadurch wird Nachhaltigkeit, auch aus finanziellen Gesichtspunkten, für den Immobilienmarkt immer wichtiger. Das bedeutet dann, dass ein Gebäude, welches keine Optimierung im Sinne der Nachhaltigkeit aufweisen kann, auf dem Markt einen schlechteren Preis erzielen wird.“

Dadurch, dass Nachhaltigkeit auch aus finanziellen Gründen an Bedeutung gewinnt, entsteht ein verstärkter Handlungsbedarf bei der Planung und Bauausführung - das verstärkt die Transformation hin zur Digitalisierung. Nur durch BIM wird eine transparente Bewertung von Bauvorhaben unter Aspekten der Nachhaltigkeit in der Breite überhaupt erst möglich.

Ein weiterer Trend wird in einer durchgängigen Vernetzung der Bauindustrie gesehen, so Jagenow: „Die Bauindustrie ist so stark fragmentiert im Abwicklungsprozess, angefangen bei der ersten Projektidee bis hin zum Abriss des Gebäudes. Und diese Fragmentierung muss wirklich durch eine starke Vernetzung überbrückt werden.“ Um diese Vernetzung herbeizuführen, sind sowohl andere Projektmodelle und Vertragsarten als auch neue Methoden und Technologien nötig, welche die dafür benötigte Durchgängigkeit befördern. Plattformlösungen und eine gemeinsame Datenumgebung können ein entscheidender Hebel sein, auch wenn es darum geht, die Kommunikation entlang der Wertschöpfungskette anzuregen und für Transparenz zu sorgen.

Plattformlösungen und ihr Potenzial: Eine gemeinsame Datenumgebung für Mitarbeiter:innen und Kund:innen

Grundsätzlich sind gemeinsame Plattformen ein wichtiger Faktor bei Digitalisierungsvorhaben in der Bauindustrie, wie etwa das Beispiel des digitalen Werkzeugkastens veranschaulicht. Jagenow betont aber, dass es in Zukunft nicht eine einzige Lösung geben wird. Das wird deutlich, wenn man das Potenzial von Plattformlösungen auf Basis von zwei zentralen Elementen definiert: die User Stories (zu dt.: Nutzer- oder Anwendererzählung) und die Customer Journey (zu dt.: die Reise des Kunden). Nur durch das Verständnis der Anforderungen beider Seiten und einer daran anschließenden konsequenten Zentrierung auf die Nutzer:innen kann die Digitalisierung der Branche nachhaltig gelingen.

Diesem Grundsatz folgend wurden bei ZÜBLIN die User Stories der Mitarbeiter:innen in den bestehenden Projekten, verbunden mit einer Einschätzung ihrer Anforderungen an digitale Werkzeuge, näher analysiert. Im nächsten Schritt wurde die Customer Journey der Kund:innen in den Blick genommen. Dabei gilt es zu verstehen, wie sich ihre Mitarbeit in einem Projekt gestaltet und welchen Einfluss die Customer Journey letztlich auch auf die User Story hat. 

Bewertet man das Zusammenspiel dieser Nutzergruppen, kommt man zu dem Ergebnis, dass beide Seiten von einer gemeinsamen Plattformlösung profitieren würden: „Bildlich gesprochen haben wir eine riesige Kiste mit digitalen Werkzeugen, in der jedes Werkzeug nur einen bestimmten Teilbereich oder Teilprozess abdeckt. Durch diesen Flickenteppich gestaltet sich auch der Datenaustausch extrem schwierig.“ Aus diesem Grund ist eine gemeinsame Datenumgebung (eng.: Common Data Environment) nötig. Sie fungiert als Umfeld für Softwareprogramme und digitale Werkzeuge, die miteinander kommunizieren können. Des Weiteren ermöglicht die gemeinsame Umgebung einen unkomplizierten Datenaustausch und die Zusammenarbeit auf einer einheitlichen Datenbasis. Die Einrichtung einer einheitlichen Umgebung kann also ein erster Schritt hin zu gemeinsamen Softwarestandards in der Baubranche sein, die auch eine Entwicklung ganzheitlicher digitaler Werkzeuge begünstigt.

Auf diese gemeinsame Datenumgebung wird bei ZÜBLIN strategisch hingearbeitet, auch um sich von einem Status Quo lösen zu können, der in der Branche nur allzu gut bekannt sein dürfte: große Datensilos an verschiedenen Orten auf bereits vorhandenen, voneinander unabhängigen und in sich geschlossenen Plattformen für Prozesse wie Kalkulation und Controlling. Die Strategie hin zu einer gemeinsamen Datenumgebung wird von dem beschriebenen Standardisierungswillen vorangetrieben. Dabei sollen standardisierte Programmierschnittstellen (APIs) in den Mittelpunkt gestellt werden, mit der Folge, dass künftig nur noch API-fähige Programme in den digitalen Werkzeugkasten aufgenommen werden. Dementsprechend sollen bisher genutzte Programme, die nicht API-fähig sind, sukzessive ausgetauscht werden.

Angesichts des Status Quo und des Ziels, mit standardisierten Programmierschnittstellen eine gemeinsame Datenumgebung zu fördern, ist ‚Connected Construction‘ ein spannendes Thema für die Digitalisierung der Branche. Wichtig ist dabei vor allem, dass es erste Unternehmen gibt, die solche Projekte vorantreiben, damit begreifbar wird, welchen Mehrwert Plattformen gerade für die Bauindustrie allgemein bieten können.

Die technische und menschliche Seite von ‚Connected Construction‘

Jagenow beleuchtet ‚Connected Construction‘ zunächst von zwei verschiedenen Seiten: einer technischen und einer menschlichen. Aus einer technischen Betrachtung heraus kann ‚Connected Construction‘ als „Einzige Quelle der Wahrheit“ (eng.: Single Source of Truth) verstanden werden, die durch ihre Transparenz den Abschied von vielen redundanten Prozessen ermöglicht. Dafür greift Jagenow auch den beschriebenen Status Quo der Branche auf:

„Das größte Problem im Bauwesen besteht darin, dass es viele, auch redundante, Informationen an verschiedenen Orten gibt. Und um aus den zahlreichen unterschiedlichen Bereichen diese Information zusammenzubringen, werden sehr qualifizierte und erfahrene Mitarbeiter:innen benötigt. Nur so kann ein gutes Gebäude gebaut oder eine gute Entscheidung getroffen werden. Meine Vision von Connected Construction beinhaltet deshalb, dass jede Information an jedem Ort abrufbar sein soll und nur einmal eingegeben werden muss.”

Diese Vision verdeutlicht also, dass nur durch eine transparente, plattformbasierte Arbeitsweise, Probleme wie die fehlende Übersicht bei der Bauplanung oder das manuelle Übertragen von Daten effizient vermieden werden können.

Ergänzt wird diese technische Betrachtung durch eine (zwischen-)menschliche Ebene: Ziel im Sinne einer Vision der ‚Connected Construction‘ sollte es sein, Bauprojekte bewusst partnerschaftlich abzuwickeln. Entscheidend dabei ist vor allem, die hohen Risiken und Kosten bei Bauprojekten so gering wie möglich zu halten. In diesem Spannungsfeld kann ‚Connected Construction‘ und die damit einhergehende Digitalisierung eine Transparenz zwischen Auftraggeberschaft und Bauunternehmen ermöglichen, die beiden Partnern bspw. im Nachtragsmanagement entgegenkommt. Die technologische Transparenz bietet also die Chance, aktiv Misstrauen abzubauen. Für Jagenow steht fest: „Mit dem technologischen Wechsel hin zu einer starken Konnektivität brauchen wir auch eine neue Denkweise, also einen Mindset-Wechsel: Wir müssen mehr Transparenz schaffen und dementsprechend auch Geschäftsmodelle entwickeln, die verstärkt auf Transparenz ausgelegt sind.”

Auf dem Weg hin zu ‚Connected Construction‘, verbunden mit mehr Transparenz, sollte es also um Erleichterungen gehen, die bereits in bestehenden Digitalisierungsprojekten sichtbar werden. Damit können Tools gemeint sein, die z.B. dabei helfen, Material- und Produktionsströme besser sichtbar und zugänglich zu machen. Angefangen von der Produktion eines Baustoffes in der Fabrik über seine Anlieferung bis hin zum Einbau auf der Baustelle. Dafür braucht es etwa digitale Lösungen wie eine Prozessautomatisierung, die durch die gesamte Wertschöpfungskette führt und dabei sowohl den Materialstrom als auch die Arbeitstätigkeiten steuert. Diese Automatisierung ist nötig, um die Bauindustrie wirklich nachhaltig vernetzen zu können. Auch hier kann Standardisierung als zentraler Schlüssel zum Erfolg hervorgehoben werden. Doch wie sieht es mit der Realisierung und Umsetzung der ‚Connected Construction‘ und weiteren Entwicklungen in der Bauindustrie in den kommenden Jahren aus?

Die Bauindustrie in Deutschland im Jahr 2030: Digitalisierter Bauprozess und Generationenwechsel

Quelle: ZÜBLIN (Visualisierung der Digitalisierungsstrategie 2030 als Wimmelbild) Copyright: © Ed. Züblin AG / STRABAG SE 2021

Jagenow gibt einen kleinen Ausblick: „Wie sieht unsere Baustelle 2030 aus? Da sieht man z.B. den Kunden, da sieht man die Robotik, die dahinter ist, sowie das iPad, mit dem sich der Prozess steuern lässt.” Daraus lässt sich ableiten, dass digitale Hilfsmittel aus der Bauindustrie grundsätzlich nicht mehr wegzudenken sind. Auch weil immer mehr und vor allem komplexere Daten für die Planung und Ausführung eines Bauwerkes benötigt werden, was beispielhaft am Thema Nachhaltigkeit aufgezeigt wurde. Start-ups spielen bei diesem Prozess laut Jagenow eine immer wichtigere Rolle: „Wir werden in der Bauindustrie relativ schnell die Grenzen des technisch Möglichen erreichen, da wir sehr schnelle Fortschritte machen werden. Die Bauindustrie hatte und hat immer noch viel aufzuholen, aber ich denke, dass wir auch schon gut aufgeholt haben. Gerade hier können PropTechs die Industrie darin unterstützen, technologisch weiter voranzukommen.”

In Zukunft wird es in der Bauindustrie zudem darum gehen, dass der Auftraggeber nicht nur den Bauprozess selbst, sondern den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie im Blick hat. Lean Construction soll laut Jagenow also zunehmend an Bedeutung gewinnen: „Erst wenn wir es schaffen, den gesamten Immobilien-Lebenszyklus zu digitalisieren, lässt sich auch der Bauprozess in Gesamtdeutschland stärker digitalisieren. Das Ziel sollte hier eine Ende-zu-Ende-Betrachtungsweise der Immobilien sein.” Die hier angesprochene Ende-zu-Ende-Betrachtungsweise im Sinne von Lean kann als Treiber eines grundlegenden Wandels der Bau- und Immobilienwirtschaft angesehen werden.

Durch das Ausscheiden der Babyboomer aus dem Erwerbsleben wird es in den nächsten Jahren einen Generationenwechsel auf Management- und Projektleitungsebene geben. Somit kommt eine neue Generation in Führungspositionen, von der neue Impulse ausgehen werden und die auch einen anderen Umgang mit digitalen Werkzeugen hat. In dem anstehenden Generationenwechsel sieht Jagenow eine Chance: „Ich sehe da aber auch einen Unterschied zwischen der Generation Y, also Menschen, die jetzt um die 30 sind, und der Generation Z. Gerade Menschen der Generation Z, die jetzt ins Berufsleben eintreten, haben die Digitalisierung hauptsächlich aus der Rolle des Konsumenten erlebt. Und genau das wird uns auch in der Nutzung und Akzeptanz von digitalen Tools weiter nach vorne bringen.” Für diese Entwicklung ist in Zukunft jedoch ein Softwareumfeld wichtig, bei dem Dinge einfach funktionieren, ohne weiteres Zutun der Anwender:innen oder gar tiefergehende Programmierkenntnisse. Damit ist vor allem gemeint, dass man sich vom ‚Gebastel‘ und umständlichen Workarounds bei Softwareproblemen verabschiedet. Genau diesen Übergang macht Jagenow für das Jahr 2030 aus: „Zukünftig werden wir unsere Projekte fast ausschließlich mit digitalen Tools abwickeln und somit der papierlosen Baustelle sehr nahe kommen.” 


Veröffentlicht von

Maximilian Burger

9.8.2022

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