Im Gespräch mit der Industrie

Die digitale Transformation erfolgreich begleiten - Schrobsdorff Bau AG

Welche Herausforderungen und Chancen sieht ein Berater für Digitalisierung bei Bauunternehmen? Eric Kalesky gewährt interessante Einblicke.

Die digitale Transformation erfolgreich begleiten - Schrobsdorff Bau AG

Eric Kalesky ist Berater für Digitalisierung bei der Schrobsdorff Bau AG, einem mittelständischen Bauunternehmen mit Sitz in Berlin. Im Unternehmen wurde eine Abteilung aufgebaut, die für die interne Digitalisierungsstrategie verantwortlich ist. Im Gespräch mit Tenera beschreibt er die zentralen Grundsätze und Herangehensweisen, die für Bauunternehmen nötig sind, um den Herausforderungen der Digitalisierung erfolgreich zu begegnen. Er erklärt, wie es gelingen kann, innovative Lösungen in funktionierende Systeme einzuführen und wie Prozesse digitaler gestaltet werden können. Außerdem zeigt er auf, wie digitale Lösungen tatsächlich implementiert werden können. Multiplikatoren, eine intuitive Benutzeroberfläche, Plattformlösungen und Integrationen sind dabei wichtige Stichworte. 

Grundsätze und Herangehensweisen bei der Beratung 

Die digitale Transformation hält zunehmend Einzug in die Branche, begleitet von den Herausforderungen, die dieser Umschwung für alle Akteure mit sich bringt. Bei vielen Unternehmen löst diese Entwicklung eine große Neugier gegenüber neuen Ideen und Softwarelösungen aus. Doch der schnelle Einkauf einer neuen Software macht noch keine gelungene digitale Transformation aus - für die konkrete und vor allem sinnvolle Umsetzung gibt es verschiedene Möglichkeiten.

Als sinnvoller Startpunkt für die Transformation im eigenen Unternehmen bietet sich eine Beratung durch externe Digitalisierungsexperten an, wobei die Akzeptanz gegenüber einer internen Unternehmensberatung höher ist und das aufgebaute Wissen auch nachhaltiger im Unternehmen bleibt. Ihre Arbeit beginnt zunächst damit, zu betrachten, woher die Impulse für neue Projekte kommen. Werden Ideen beispielsweise von Mitarbeiter:innen des Unternehmens selbst an Berater herangetragen, erfolgt zunächst eine erste Einschätzung und die Evaluierung von möglichen Softwarelösungen, die für die Umsetzung infrage kommen. Der Berater befasst sich in seinem Alltag dann intensiv mit potenziellen Lösungen, überprüft Funktionen sowie Nutzen und setzt im Hintergrund Prozesse auf. Diese Prozesse sollen sicherstellen, dass die Anforderungen, die an eine Softwarelösung gestellt werden, auch wirklich erfüllt werden können.

Bei der Beratung und der Suche nach passenden Softwarelösungen für Bauunternehmen ist vor allem ein Grundsatz entscheidend: Die Digitalisierung muss den Menschen unterstützen. Was das genau für die Arbeit mit neuen Lösungen bedeutet, beschreibt Kalesky folgendermaßen: „Digitalisierung kann kein Selbstzweck sein und deshalb kommt es darauf an, wo im Unternehmen ein aktueller Bedarf besteht und wie sich Digitalisierungsvorhaben dabei am besten in den Unternehmensfluss einbetten lassen. Es gilt zuzuhören, um die Bedürfnisse der Menschen in den Fokus zu rücken.“ Um diese Vorhaben und Prozesse überhaupt erst voranbringen zu können, braucht es Menschen, die den Willen haben, die Branche zu transformieren. Dafür spielt die Akzeptanz gegenüber der Digitalisierung die zentrale Rolle.

Mit digital-affinen InnovatorenAkzeptanz für die Digitalisierung schaffen und Arbeitserleichterungen hervorheben 

Doch wie lässt dich Akzeptanz digitaler Lösungen im Unternehmen erreichen? Durch das gezielte Hervorheben ihres Nutzens für die einzelnen Adressaten, weiß Kalesky: „Es gibt die einen, die sind immer offen für Neues. Das würde ich nicht am Alter festmachen, sondern allein an der Affinität in Bezug auf Neues. Neugier spielt hier auch eine wichtige Rolle. Akzeptanz ist zudem auch wirklich von dem konkreten Nutzen abhängig.” Um diesen Nutzen hervorzuheben und Akzeptanz zu schaffen, ist eine offene Kommunikation wichtig. Dabei sollte nicht nur die Arbeitserleichterung und Funktion einer digitalen Lösung gehen, sondern auch damit verbundene Restrisiken beschrieben werden. Nur wenn diese Risiken ordentlich abgefangen werden, sei es über eine vertraglich festgelegte schnelle Fehlerbehebung oder eben eine unkomplizierte Kommunikation, kann eine Akzeptanz nachhaltig gewährleistet werden. Dieses Vorgehen Lernprozesse in Gang bringen, die konsequent dazu beitragen, mögliche Hürden bei den Nutzer:innen von Beginn an klein zuhalten und einen offenen Umgang mit Restrisiken zu pflegen. 

Bevor ein digitaler Prozess in der Breite ausgerollt wird, sollte die Implementierung zunächst in einem Kreis motivierter Mitarbeiter:innen, die man auch als „Innovatoren” bezeichnen kann, stattfinden. Damit sind Mitarbeiter:innen gemeint, die gerne Neues ausprobieren und sich von der ein oder anderen Komplikation nicht direkt abschrecken lassen. Hier hat Kalesky eine interessante Erfahrung gemacht: 

„Wenn man es erreicht, die Leute zu überzeugen, die zu Beginn sehr kritisch eingestellt und super skeptisch waren, sind das im Nachhinein die besten Multiplikatoren. Davon gibt es einige. Gerade hier tragen eine persönliche und kontinuierliche Kommunikation enorm zur Zufriedenheit bei. Dieser Aufwand zahlt sich am Ende aus, da die Unternehmung von diesen Multiplikatoren profitiert.“

Zu der beschriebenen Überzeugungsarbeit im Sinne einer offenen Kommunikation, gehört auch, dass deutlich gemacht werden muss, dass mit der Nutzung einer neuen digitalen Lösung eine gewissen Eingewöhnungszeit einhergeht, die unter Umständen ein gewisses Zähneknirschen hervorrufen kann. Wenn die Anwendung aber nach zwei oder drei Wochen verstanden wurde, ist sie aus der täglichen Arbeit nicht mehr wegzudenken.  

Während dieser Eingewöhnungszeit ist eine Art Rundumbetreuung unabdingbar. Hier sollte man darauf vorbereitet sein, dass die Nutzer:innen viele Fragen haben und auch schon bei den vermeintlich kleinsten Unwägbarkeiten ins Stocken geraten. Die Anwender:innen dürfen in dieser Phase also nicht allein gelassen werden, da schon die kleinsten Probleme zur Unzufriedenheit mit dem ganzen Produkt führen können. Mit Blick auf diesen zwei- bis dreiwöchigen Eingewöhnungsprozess muss daher eine entsprechende Vorarbeit geleistet werden.   

Anforderungen an neue digitale Lösungen 

Aus der Eingewöhnungsphase heraus ergibt sich auch eine Anforderung an die Komplexität neuer Lösungen. Da diese in einer gewissen Zeit von den Nutzer:innen verstanden und wie selbstverständlich genutzt werden sollen, muss z.B. die Benutzeroberfläche leicht verständlich und intuitiv bedienbar sein, sodass direkt gefunden werden kann, was gesucht wird, ohne dabei Frust auszulösen. Bei den Anforderungen an digitale Lösungen richtet Kalesky daher den Blick auf die Nutzer-Perspektive:

„Wenn ich mir das Programm selber erklären kann, ohne dass ich irgendwie eine Onboarding-Session hatte, dann erachte ich das als gut geschriebenes Programm mit einem guten UX-Design. Denn wenn ich es schaffe, mir das selber zu erklären, schafft auch jemand anderes, wenn es ihm erklärt wird, das Programm zu benutzen. Das ist für mich der erste Zugang, wenn ich mir ein neues Programm anschaue.“

Neue digitale Lösungen müssen also sowohl benutzerfreundlich sein als auch den nötigen Funktionsumfang bieten, um tatsächlich eine Arbeitserleichterung zu ermöglichen. Auf der einen Seite stehen also Lösungen, die jeden noch so kleinen Spezialfall abdecken können, aber mit ihrer Komplexität die Anwender:innen womöglich überfordern. Demgegenüber stehen Lösungen, die einen kleineren Funktionsumfang bieten, aber dafür weniger Personalschulungen erfordern und schnell von den Mitarbeitenden angenommen werden. Für die Beratung besteht nun die Aufgabe darin, Lösungen zu finden, die sowohl die technischen Aspekte als auch die Benutzerfreundlichkeit bestmöglich miteinander kombinieren. Diese Vorhaben orientieren sich dabei auch an den Trends, mit denen sich die Baubranche derzeit beschäftigt, allen voran Building Information Modeling (BIM).

Digitalisierungstrends: Kooperative Nutzung von BIM und Plattformen

BIM ist in der Branche längst angekommen, jedoch versteht jeder unter dem Begriff etwas anderes. Aktuell kann beobachtet werden, dass sich viele Unternehmen auf BIM geradezu stürzen, ohne dabei genau zu wissen, was überhaupt dahinter steckt. Entsprechend dem Grundsatz ‚Digitalisierung soll den Menschen unterstützten‘ sollte bei einer Beratung von Unternehmen der Begriff BIM mit Leben gefüllt werden. Erst dann lassen sich konkrete Projekte aus dem Thema ableiten, die im Anschluss daran auch mit einer ordentlichen Strategie hinterlegt werden können. Dass an einer breiten Nutzung von BIM in Zukunft jedoch kein Weg mehr vorbeiführen wird, ist sehr wahrscheinlich. Hier wird sich laut Kalesky auch entscheiden, ob Bauunternehmen weiter bestehen können: 

„Ich glaube, die Bauunternehmen, die derzeit bestreiten, dass BIM irgendwann als fester Standard für alle kommen wird, werden es in Zukunft schwer haben, am Markt zu bestehen. Gerade dann, wenn entsprechende Regelungen vereinbart und Gesetze verabschiedet werden, die festlegen, dass ab einer gewissen Projektgröße nur noch mit BIM ausgeschrieben werden darf. Wenn diese Regelungen kommen und Unternehmen dann erst beginnen sich damit zu beschäftigen, ist es eigentlich schon zu spät.” 

Abgesehen von der konkreten Umsetzung von Projekten, besteht mit BIM die Möglichkeit, der Fragmentierung der Branche entgegenzuwirken. Die hierfür nötige Transformation kann jedoch nur gelingen, wenn Prozesse miteinander vernetzt und Unternehmensprozesse entsprechend umgestaltet werden. BIM als kooperativer Ansatz ist nur erfolgreich, wenn zukünftige Arbeitsweisen an diese Vision angepasst werden. Die Aufgabe der Beratung besteht dabei vor allem darin, den Gesamtprozess im Blick zu behalten und darauf zu achten, dass im Zuge einer Implementation von BIM keine Insellösungen geschaffen werden. Im Vordergrund sollten vielmehr Lösungen stehen, die eine Zusammenarbeit aller Parteien ermöglichen.

Neben BIM sind Plattformen ein weiteres wichtiges Werkzeug in der Schaffung einer innovativen, digitalisierten Branche. Kalesky hebt in diesem Zusammenhang vor allem die Transparenz und Schnittstellenoffenheit hervor: „Wahrscheinlich wird es nicht die eine Plattform geben, die alles abdecken kann. Wenn sich ein Unternehmen für eine bestimmte Plattform entschieden hat, ist es wichtig, dass sie auch wirklich offen ist und ein Austausch zwischen verschiedenen Plattformen problemlos möglich ist. Das sollte im Vordergrund stehen.“ 

UX-Design, BIM und Plattformlösungen - damit Unternehmen in Zukunft gezielter die Möglichkeiten dieser Digitalisierungstrends für sich nutzen können, müssen bisher nicht gehobene Potenziale erkannt und neue Wege beschritten werden. 


Herausforderungen und Potenziale: Neue Arbeitsweisen und mehr Startup-Mentalität

Wenn es darum geht, die Digitalisierung in der Bauindustrie effizient voranzubringen, gibt es noch viel ungenutztes Potenzial bei dem Thema Standardisierung, gerade hinsichtlich der vorherrschenden Fragmentierung der Branche. Die unterschiedlichen Arbeitsweisen, die bei gemeinschaftlichen Bauprojekten aufeinander treffen, können durch einheitliche Standards besser zusammengebracht werden. In diesem Zusammenhang haben auch Normen und Regeln das Potenzial, die zukünftige Arbeitsweise zu verbessern und Risiken zu minimieren. Schon jetzt bietet die Normungsroadmap BIM des Deutsches Institut für Normung erste Anhaltspunkte, an denen sich Unternehmen orientieren können. 

Mit Blick auf neue Arbeitsweisen könnten Unternehmen in der Bauindustrie zudem von einer gewissen Startup-Mentalität profitieren, gerade wenn es um die Angst vor Fehlern und dem Scheitern bei innovativen Projekten geht. Kalesky formuliert es so: „Die Angst, dass auch mal was schiefgehen kann, stellt für Innovationen ein Hindernis dar. Dabei sollten Unternehmen Möglichkeiten schaffen, dass etwas schieflaufen kann, wenn es in einem geschützten Rahmen geschieht und aus den Fehlern schnell gelernt wird. Hier kann die Bauindustrie durchaus von Startups lernen.” Das bedeutet natürlich nicht, dass Unternehmen hierfür ihre eigene Firmenkultur infrage stellen sollten, vielmehr sollten sie bei innovativen Digitalisierungsprojekten und einer agilen Arbeitsweise eine gesunde Mischung aus Innovationsdrang und Traditionsbewusstsein entwickeln. 

Damit digitale Lösungen den Ansprüchen der Branche genügen, lohnt ein Blick in die Zukunft, vor allem auf Entwicklungen, die der Digitalisierung in der Bauindustrie zusätzlich Schwung geben werden. In diesem Zusammenhang, gerade auch durch den erwartbaren Schub durch digitale Lösungen für die Effizienz und Transparenz bei Bauvorhaben, kann ‚Connected Construction‘, also die Idee einer konsistenten Datenhaltung entlang der gesamten Wertschöpfungskette, als zentraler Ansatz gesehen werden, diese Themen zu bündeln. 

‚Connected Construction‘ als Weichenstellung für die Zukunft 

Ganz im Sinne von Lean, lässt sich ‚Connected Construction‘ als Treiber von Transformationsprozessen in der Bauwirtschaft verstehen. Im Mittelpunkt sollen dabei eine klare Nutzerzentrierung und Ressourcenschonung stehen, und zwar nicht nur während der Planungs- und Errichtungsphase, sondern auch beim Betrieb und beim Abriss von Bauwerken. Dadurch lassen sich z.B. Aspekte der Nachhaltigkeit und die Einbettung mit BIM verknüpfen. Um das zu bewerkstelligen ist eine konsistente Datenhaltung entlang der gesamten Wertschöpfungskette entscheidend. Dafür dürfen Daten nicht nur isoliert für ein Projekt produzierten und genutzt werden, sondern auch für die nächsten Leistungsphasen und andere Projekte verfügbar und jederzeit nutzbar gemacht werden. Hinzu kommt auch, dass das Sammeln aller Daten eines Bauvorhabens über den kompletten Lebenszyklus eines Gebäudes hinweg für deutlich mehr Transparenz sorgt. Nur so lässt sich längerfristig Zeit sparen und nachhaltiger arbeiten. Für Kalesky liegt der Vorteil auf der Hand: 

„Durch Connected Construction können Kommunikationswege verkürzt werden, in dem auf einer einheitlichen Datenbasis gearbeitet wird. So können Missverständnisse und Interpretationsspielräume von vornherein klein gehalten werden, indem mit einem einheitlichen Wissensstand gearbeitet wird. Somit kann auch der Abgleich mit der Realität schneller und effizienter stattfinden.”

Dieser Realitätsabgleich kann zum Beispiel für die Bauüberwachung wichtig sein, um Bestandsmeldungen in einem Projekt leichter sichtbar zu machen und auf Veränderungen schneller zu reagieren. ‚Connected Construction‘ ermöglicht also ein agileres Projektmanagement und hilft dabei, eine bessere Transparenz bei Bauvorhaben zu schaffen.  

Gerade diese Aspekte werden in der Beratung von Unternehmen für künftige Digitalisierungsvorhaben eine zunehmende Bedeutung einnehmen, zusammen mit der beschriebenen Akzeptanz und den Anforderungen an innovative digitale Lösungen und den damit verbundenen neuen Arbeitsweisen.


Veröffentlicht von

Maximilian Burger

9.8.2022

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